„Das ist Landwirtschaft 4.0“

Carsten Gath ist Leiter der Gruppe Flächenprogramme in der Abteilung Landwirtschaftsförderung. Im Interview erzählt er von der Entwicklung des digitalen Antragsportals, von anfänglichen Stolpersteinen und wie künstliche Intelligenz die Flächenförderung revolutioniert.


Hessische Landwirtinnen und Landwirte können ihre Anträge auf Flächenförderung seit 2021 vollkommen digital über das Agrarportal Hessen stellen. Blicken wir zunächst erst einmal zurück: Wie lief die Antragstellung vorher?
Unsere Kunden, die hessischen Landwirte, stellen jährlich wiederkehrend den sogenannten Gemeinsamen Antrag auf Agrarförderung. Das sind insgesamt rund 20.000 Antragstellende. Für all diese ist die WIBank verpflichtet, personalisierte Antragsunterlagen zu erstellen und zu verschicken. Früher gab es dafür ganz klassisch ein papierhaftes Verfahren. Ab dem Jahr 2017 wurde die Software per USB-Stick mit personalisierten Daten verschickt. Und nun sind wir den nächsten Schritt in Richtung Digitalisierung gegangen. Unser Ansatz war es, unsere Kunden auf diesem Weg eng zu begleiten und sie nach und nach an das digitale Verfahren heranzuführen. Sie leben im ländlichen Raum, wir müssen auch die Breitbandabdeckung vor Ort im Blick behalten. Durch die schrittweise Umstellung in Richtung Digitalisierung konnten wir eine hohe Akzeptanz erreichen.


Wie funktioniert die Antragstellung im neuen Agrarportal Hessen?
Das Portal ist ein wichtiger Schritt in eine volldigitale Antragstellung. Alle Nutzerinnen und Nutzer sind authentifiziert und loggen sich mit ihren individuellen Zugangsdaten ein. Der Antrag wird ausschließlich online abgeschickt, ohne Ausdrucke, Unterschrift und Postversand. Es gibt keinerlei Papier mehr. Wir sind das erste Bundesland, das eine echte Online-Antragsstellung mit rein digitaler Abgabe ermöglicht.


Was ist das Besondere am Portal?
Unsere Kunden können ihre Flächen individueller bearbeiten. Wie gesagt, wir haben in Hessen rund 20.000 Antragstellende mit über 650.000 Flächen, sogenannten Schlägen. Das Portal enthält Luftbilder, Fachkulissen und zum Beispiel das amtliche Liegenschaftskataster. So können Landwirte unter anderem überprüfen, ob ihre Schläge in einem Vogelschutzgebiet liegen oder welche anderen Flächen daran angrenzen. Wir bieten all diese Geodaten, unsere Kunden müssen kein eigenes System anschaffen. Sie können zum Beispiel eine GPS-Antenne am Traktor anbauen und diese mit der Software verknüpfen – auch dafür gibt es übrigens Fördermöglichkeiten. Für die Antragstellung des Gemeinsamen Antrags haben wir im Portal rund 300 Plausibilitäten eingebaut. Diese schützen den Antragstellenden vor falschen oder unvollständigen Angaben. Es erfolgt außerdem ein Abgleich zum letzten Jahr, so dass die Daten nicht neu eingeben werden müssen.


Wie lange lief das Projekt?
Insgesamt haben wir 19 Monate daran gearbeitet. Die Corona-Pandemie hat unser Projekt beeinflusst, weil unser Dienstleister IBYKUS kurzfristig für die Abteilung Wirtschaftsförderung die Online-Antragstellung für das Corona-Programm Hessen-Mikroliquidität umgesetzt hat. Keine Frage, das ging in der Priorität natürlich vor! Allerdings hatte es unseren Zeitplan durchaus durcheinandergewirbelt und wir mussten am Ende nochmal ordentlich Gas geben. Durch die gute Zusammenarbeit, auch mit der Helaba-IT, konnten wir das erfolgreich umsetzen.


Der Start des Antragsportals lief dann leider nicht wie geplant: Das Programm stürzte bei den Kunden ab, es kam zu Login-Problemen oder die zulässige Nutzerzahl wurde überschritten. Wie sind Sie damit umgegangen?
Wir sind wie geplant am 15. März 2021 gestartet. Schon an diesem Tag ist das System in die Knie gegangen und wir mussten es wieder offline schalten. Das war bitter! Und es war sofort öffentlich wirksam und sehr unangenehm. Unsere Devise war, offen mit unseren Kunden, den Interessensvertretern und unserem Auftraggeber zu kommunizieren, Transparenz zu schaffen und die Probleme anzusprechen. Sich in einer Krisensitzung über GoToMeeting mit über 100 Teilnehmenden offen den Problemen zu stellen, macht man nicht alle Tage. Aber es hat uns geholfen, das Vertrauen in uns und in das Portal hoch zu halten.


Und wie haben Sie es geschafft, dass alle hessischen Landwirte doch noch rechtzeitig ihre Anträge stellen können?
Wir haben mit Hochdruck an der Behebung der Probleme gearbeitet und konnten schon neun Tage später wieder live gehen. Wir haben die Kapazitäten deutlich ausgeweitet, so dass 800 zeitgleiche Anmeldungen möglich wurden. In der Spitze hatten wir über 5.000 Anmeldungen pro Tag.


Welche Rückmeldungen haben Sie von Nutzern erhalten?
Trotz der ruckeligen Anfangsphase erhielten wir viele positive Rückmeldungen: Das Portal gefällt und wird als sehr nutzerfreundlich wahrgenommen. Der Aufbau orientiert sich natürlich am WIBank-Design. Für die Anwender haben wir Erklärvideos produziert, die die Handhabe verdeutlichen. Und das dynamische Layout macht es möglich, dass das Programm auch auf mobilen Geräte läuft. Zudem benötigt die Nutzung wenig Breitbandauslastung. Wir haben viel für Nutzerfreundlichkeit getan und das hat sich auch gelohnt.


Gibt es noch weitere Pläne für das Portal?
Zukünftig möchten wir die neue Plattform als Antrags- und Kommunikationsportal etablieren. Die Landwirte können zum einen einmal im Jahr ihre Anträge digital stellen. Zum anderen können sie auch unterjährig das Portal nutzen, z.B. den Förderbescheid herunterladen. Wir können unsere Prüfberichte ablegen und eine Historie implementieren. Als nächstes möchten wir eine App entwickeln, dann wird die Antragstellung und -prüfung noch digitaler. Ein Exkurs: Ein Landwirt macht von seinem Maisfeld ein Foto mit dem Handy und lädt es im Portal hoch. Aus den Fotodaten können wir entnehmen, wann und wo das Foto gemacht wurde. Mit Hilfe von Satellitenbildern und künstlichen Intelligenzen wird nun abgeglichen, was auf dem Bild zu sehen ist und ob es mit den Angaben im Antrag übereinstimmt. Die Software überprüft – ähnlich wie bei Pflanzenerkennungs-Apps – die Pflanzenart und erkennt ihren Chlorophyllgehalt zum angegebenen Zeitpunkt. Das ist Landwirtschaft 4.0.


Abseits vom Projekt Antragsportal: Was begeistert Sie ganz persönlich an Ihrer Arbeit?
Wir haben eine sehr vielfältige Gruppe mit unterschiedlichen Ausbildungshintergründen, zum Beispiel Agraringenieure, Geographen, Versicherungskaufleute, Verwaltungsprofis, sogar einen Banker. Die Zusammenarbeit in unserer Gruppe macht mir sehr viel Spaß. Auch pflegen wir einen guten Kontakt zu den 400 Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der landrätlichen Bewilligungsstellen sowie zum Landes- und Bundesministerium für Landwirtschaft. Auch die Vielfalt der Themen begeistert mich. Alle sieben Jahre gibt es eine neue EU-Förderperiode, neue Programme und zusätzliche Fördermaßnahmen für ökologische Landwirtschaft. Außerdem arbeiten wir an Grundsatzthemen, IT-Themen oder beraten politische Stellen in verschiedenen Fragen.

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